Die Fernwärmeleitung hatte im Sommer 2024 die Heizzentrale im Schloss erreicht. Vor kurzem erfolgte die technische Inbetriebnahme – mit einer Punktlandung zur diesjährigen Heizperiode. Die Umstellung auf Fernwärme trägt zum Ziel der Landesregierung bei, die Landesverwaltung bis 2030 klimaneutral zu machen. Je größer der Anteil an erneuerbaren Energien in der Stadtwerke-Fernwärme in den nächsten Jahren wird, desto größer auch der klimaschonende Effekt auf dem Schloss Hohentübingen.
Finanzstaatssekretärin Gisela Splett: „Das Schloss Hohentübingen verfügt nun über eine neue Heizzentrale und klimafreundliche Fernwärme der Stadtwerke Tübingen. Damit reduzieren sich die jährlichen CO2-Emissionen um rund 200 Tonnen auf etwa 53 Tonnen.“
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sagt: „Der Fernwärmeausbau auf Schloss Hohentübingen treibt die Energiewende in Tübingen wortwörtlich in die Höhe. Er zeigt, dass klimafreundliche Wärmeversorgung überall möglich ist, wenn die Planungen individuell und pragmatisch sind. Es ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg, die Innenstadt ans Fernwärmenetz zu bringen.“
„Das Projekt hat Signalwirkung“, sagt Hanno Brühl, Prokurist und Bereichsleiter Energie & Innovation bei den Stadtwerken Tübingen. „Es beweist: Wo ein Wille und der Wunsch für eine klimafreundliche Wärmeversorgung ist, da ist auch ein Weg – selbst an einem für die Fernwärmeleitung nur schwer erreichbaren Ort wie auf dem Schloss Hohentübingen. Die swt werden den Anteil erneuerbarer Energien in den nächsten Jahren durch neue Projekte wie den Solarthermiepark Au oder die Abwärmenutzung an der Kläranlage deutlich erhöhen. Die klimaschonende Wirkung unserer Fernwärme wird damit zukünftig – und auch für das Schloss – kontinuierlich immer größer.“
Anspruchsvoller Weg der Fernwärmeleitung ins Schloss
Wo vorher eine betagte Gasheizung feuerte, steht jetzt die neue Heizungsanlage. In drei Kesseln wurden pro Jahr circa 1,3 Millionen Kilowattstunden Erdgas verbraucht. Die frisch verlegte Fernwärmeleitung der swt endet genau dort – im Heizungskeller des Schlosses. Sie liefert circa eine Million Kilowattstunden Wärme pro Jahr ins Schloss. Sichtbar ist die Leitung nicht mehr. Ihren Weg bis zum Bestimmungsort nimmt die Fernwärme über eine außergewöhnlich anspruchsvolle Streckenführung. Sie verläuft unterirdisch quer durch den Innenhof des Schlosses, durch Kellerräume, vorbei am historischen Riesenweinfass, durch dicke Schlossmauern, auf der Außenseite der Schlossanlage entlang in Richtung Schloßbergstraße, schließlich steil den Abhang hinunter bis an den Fuß des Burgholzwegs über die Ammerbrücke bis ins Bestandsnetz am Altstadtrand. Die neue Heizzentrale spart pro Jahr rund 200 Tonnen CO2 ein. Bis zur Sanierung und Umstellung wurden jährlich noch 253 Tonnen CO2 emittiert.
Die Gesamtkosten des Fernwärmeanschlusses für das Schloss Hohentübingen sowie die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen der Hausheizungsanlage beziffern sich auf circa 3,7 Millionen Euro auf Seiten des Landes Baden-Württemberg. Enthalten ist darin die 277 Meter lange Hausanschlussleitung ab dem Burgholzweg bis ins Schloss und die Leitungsverlegung quer durch den Schloss-Innenhof. Für die Erweiterung der Fernwärme-Hauptleitung bis zum Burgholzweg um 321 Meter als Grundvoraussetzung für das Projekt und die damit verbundene Erweiterung ihres Fernwärme-Innenstadtnetzes haben die Stadtwerke Tübingen 1,8 Millionen Euro investiert. Die swt rechnen mit rund 40 Prozent Förderung durch Mittel aus der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW).
Hoher Planungsaufwand und nicht alltägliche Herausforderungen
Die Planungen für dieses besondere Projekt begannen bereits vor über sieben Jahren. 2017 legten die swt erstmals ein Fernwärmekonzept für das Schloss Hohentübingen vor. Die Fernwärme-Lösung hatte sich auf Seiten des Amts für Vermögen und Bau zur favorisierten Lösung entwickelt. Andere, bereits in den Jahren zuvor geprüfte Lösungen, waren nicht in die Umsetzung gekommen. Die 32 Jahre alten Gaskessel näherten sich jedoch ihrem technischen Lebensende. Die Herausforderung für die Planer bestand von Anfang an darin, eine passende Streckenführung für die Fernwärmeleitung zu finden. Die swt prüften zunächst eine „Südvariante“ über das Fernwärmenetz Uhlandschiene und über Uhlandstraße, Alleenbrücke, Neckarhalde, Schlossberg, Fünfeckturm, über den Ostflügel bis in den Schlosskeller. Eine bautechnisch äußerst anspruchsvolle Strecke. Voraussetzung für diese Route wäre allerdings die Sanierung der Alleenbrücke gewesen. Ohne konkreten Zeithorizont für die Brückensanierung wurde diese Option nicht weiterverfolgt.
Die exponierte Lage des Schlosses in Tübinger Höhenlage gestaltete die Planungen weiterhin komplex. 2019 brachten die Stadtwerke Tübingen dann in einem aktualisierten Konzept erstmals eine Erschließung aus Richtung Innenstadt ins Spiel – die „Nordvariante“. Eingebremst durch die Corona-Pandemie und nach weiteren Überarbeitungen, entschieden sich die Projektpartner schließlich dafür, die Nordvariante umzusetzen – mit einer Wegführung ins Schloss über den nördlichen Schlossberg, durch den nördlichen Schlosskeller und durch den Schlossinnenhof. In der Rappstraße konnte eine geeignete Stelle gefunden werden, um die neuen Leitungsstrecken in das swt-Bestandsnetz einzubinden. Dort begannen im Herbst 2023 die Tiefbauarbeiten. Als größere bauliche Herausforderungen auf dem Weg in Richtung Schloss erwiesen sich die Querung der Ammer und die Überwindung des Schlossberges. Mit den letzten Metern Leitungsrohre bis in den Keller der neuen Heizzentrale endeten die Verlegearbeiten im Spätsommer 2024 rund sechs Jahre nach Beginn der Planungen und rund ein Jahr nach Baubeginn. Während der außergewöhnlich herausfordernden Tiefbauarbeiten mussten die Bauabschnittsplanungen insbesondere Rücksicht auf die Fledermausvorkommen im Schloss und den Denkmalschutz nehmen. Die Arbeiten wurden archäologisch begleitet – und tatsächlich kamen bei den Aufgrabungen im Innenhof des Schlosses Reste einer historischen Mauer zum Vorschein.
Neue Anschlussperspektiven für Gebiete am Tübinger Altstadt-Rand
Die im Zuge des Schloss-Projekts verlegten Fernwärmeleitungen bis in den Burgholzweg haben nicht nur Vorteile für das Schloss selbst. Auch die an den neuen Leitungsstrecken in der Rappstraße und der Schwärzlocher Straße gelegenen Straßen und Gebäude haben dadurch die Möglichkeit, sich vergleichs-weise unkompliziert und vor allem schnell an die Fernwärme anschließen zu lassen. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten der Fernwärmeversorgung am Tübinger Altstadtrand. Bereits 13 neue Hausanschlüsse (einschließlich Schloss) kamen in diesem Gebiet seither bereits dazu.
Über die Herausforderungen dieses besonderen Bauprojekts und historische Hintergründe zur Entwicklung der Beheizung auf dem Schloss über die Jahrhunderte, berichtet auch ein Blogartikel auf dem swt-Blog Stadt.Werk.Fluss (http://blog.swtue.de).