Der Neckar trennt das Netz der Südstadt vom Fernwärmenetz Alte Weberei. Der „Neckardüker“ (*1) überwindet nun diese Trennung. Was zunächst wenig spektakulär klingt, hat jedoch weitreichende positive Auswirkungen für den Fernwärmeausbau: Die Unterquerung des Neckars ist von essenzieller Bedeutung für die Erschließung der Tübinger Innenstadt mit erneuerbarer Wärme. Nach der Neckarquerung soll die geplante Leitung entlang des Fußes des Österbergs bis zum ehemaligen Schlachthofgelände verlaufen. Dieser Abschnitt eröffnet nicht nur neue Möglichkeiten für die Erweiterung des Netzes, sondern ist auch ein bedeutender Schritt in Richtung nachhaltiger Wärmeversorgung.
„Der Ausbau des Fernwärmenetzes ist entscheidend für unseren Weg zur Klimaneutralität“, sagt Oberbürgermeister Boris Palmer. „Das Projekt 'Neckardüker' markiert einen Meilenstein für eine effiziente und klimafreundliche Wärmeversorgung. Die Unterquerung des Neckars ist kein einfaches Unterfangen und ich freue mich, dass wir dieses in Tübingen meistern.“
„Ein solches Bauvorhaben gab es in Tübingen bisher noch nicht“, sagt swt-Geschäftsführer Ortwin Wiebecke. „Eine Fernwärme-Leitung unter einem nicht gerade schmalen Fluss wie dem Neckar hindurchzuverlegen, ist eine Herausforderung. Aber eine, die sich lohnt, weil damit die Basis für unseren Fernwärmenetz-Ausbau entsteht. Deshalb ist dieser Schritt ein entscheidender für die Wärmetransformation in Tübingen.“
Das Spezial-Bauprojekt „Neckardüker“
Was passiert auf Höhe des Bankmannstegs in der Bismarckstraße? Ein Spezialmaschine bohrt einen 172 Zentimeter starken Tunnel (Außendurchmesser) unter dem Neckar hindurch. Während die Maschine bohrt, erledigt sie simultan den Vortrieb eines Betonrohres (Innendurchmesser 140 Zentimeter). Im fertigen Tunnel werden später die Fernwärmeleitungen in das Betonrohr eingezogen. Die Peter+Partner Spezialtiefbau GmbH setzt dafür eine Tunnelbohrmaschine eines Herstellers ein, der auch Tunnelbohrmaschinen für den Bau von Auto- und Eisenbahntunnels in den Alpen herstellt. Die Spezialmaschine kam werksfrisch vom Hersteller und hat in Tübingen ihren ersten Einsatz. Die Start- und Zielgruben haben eine Tiefe von acht Metern. Spundwände sichern die Gruben gegen den Neckar und seinen enormen Wasserdruck ab. Bauarbeiter und Maschinen sind lediglich durch diese Stahlwände vom Neckar getrennt. Zu Überschwemmungen der Baustelle kam es trotz des einige Wochen lang geführten Hochwassers auf dem Neckar glücklicherweise nicht.
Netz und Erzeugungsanlagen: Zwei Säulen der Wärmetransformation
Der Netzausbau ist für die Tübinger Wärmetransformation eine von zwei entscheidenden Säulen. Die zweite Säule sind neue Wärme-Erzeugungsanlagen, möglichst auf Basis Erneuerbarer Energien, um den EE-Anteil der Fernwärme zu steigern. Das noch recht junge Wärmeplanungsgesetz fordert einen EE-Anteil von 30 Prozent in Fernwärmenetzen bis 2030 und 80 Prozent bis 2040. Mit dem geplanten Solarthermiepark Au und einem groß angelegten Abwasserwärme-Projekt an der Tübinger Kläranlage stehen die swt bei zwei zentralen neuen Wärme-Erzeugungsanlagen der kommenden Jahre bereits in den Vorplanungen beziehungsweise am Beginn der baulichen Umsetzung.
Für das Zusammenspiel von Netz und Erzeugung in der Fernwärme gilt: Erst, wenn ein stark ausgebautes Fernwärmenetz auch durch entsprechende Erzeugungsanlagen mit möglichst regenerativ erzeugter Wärme bespeist werden kann, entfaltet es sein volles Potenzial. Andersherum betrachtet, braucht es aber ein leistungsstarkes Netz, um überhaupt deutlich größere Wärmemengen einspeisen zu können. Beide Elemente des Fernwärmeausbaus müssen sich also planerisch homogen entwickeln und gemeinsam wachsen. Der Fernwärme-Netzausbau der Stadtwerke Tübingen fokussiert sich in den kommenden vier Jahren auf groß dimensionierten Hauptentwicklungsachsen quer durch die Universitätsstadt. Wobei punktuell, wo es möglich ist und sich anbietet, auch der Flächenausbau weitergeht. Die strategische Wärmeplanung der swt ist damit in ihrer Gesamtheit auch ein wichtiger Beitrag zur Kommunalen Wärmeplanung (KWP) und für das Klimaschutzprogramm Tübingens.
Neu: Bestands- und Ausbaunetz im Stadtplan der Universitätsstadt einsehbar
Wer einen genaueren Blick auf das Fernwärme-Bestandsnetz und die geplanten Leitungen werfen will, kann sich seit Kurzem im offiziellen Stadtplan der Universitätsstadt Tübingen orientieren. In der Rubrik „Fernwärme Bestand und Ausbau“ sind die geplanten Hauptentwicklungsachsen eingezeichnet, die in den nächsten vier Jahren gebaut werden sollen. Auch die Fernwärme-Eignungsgebiete sind in einem eigenen Layer abrufbar:
www.tuebingen.de/waermeplanung
(*1) Der Begriff „Düker“ kommt aus dem Niederdeutschen und steht für eine Druckleitung zur Unterquerung einer Straße, eines Tunnels, von Bahngleisen – oder eben auch eines Flusses.