Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft nutzten den Rundgang, um sich das technisch anspruchsvolle Abwärmeprojekt in allen Details zeigen und erläutern zu lassen. Neben Minister Untersteller begleiteten auch Regierungspräsident Klaus Tappeser und Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer die beiden Geschäftsführer Arnd-Gerrit Rösch und Ortwin Wiebecke auf dem Rundgang durch die Produktionshallen und über das Werksgelände – und folgten dabei dem Weg der Wärme von der Entstehung bis ins Fernwärmenetz.
Die „Orte voller Energie“ sind Leuchtturmprojekte, die besondere Leistungen für die Energiewende erbringen. Das Umweltministerium Baden-Württemberg zeichnet regelmäßig beispielhafte Projekte aus und portraitiert diese auf seiner Internetseite. Eine Plakette signalisiert an den jeweiligen Standorten: „Hier wird die Energiewende gelebt“ – ab sofort auch auf dem Firmengelände der Gerhard Rösch Gruppe in der Schaffhausenstraße.
„Das Projekt ist ein wertvoller Beitrag für eine klimafreundliche Wärmeerzeugung und ein gelungenes Beispiel für Energieeffizienz und deshalb ein Ort voller Energie“, sagte Minister Franz Untersteller.
„Nach dem Motto 'Warum wegwerfen, wenn es noch sinnvoll weitergenutzt werden kann' zeigen die Stadtwerke und die Gerhard Rösch Gruppe bravourös, dass auch unsere für den Regierungsbezirk Tübingen so wichtigen Wirtschaftsunternehmen vor Ort ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können“, so Regierungspräsident Klaus Tappeser.
„Eine pfiffige Lösung, die mich mit Optimismus in die Zukunft blicken lässt“, sagt Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. „Firma Rösch hilft gemeinsam mit den Stadtwerken, unser Ziel zu verwirklichen: Ein klimaneutrales Tübingen bis 2030.“
Moderne Abluftbehandlung
Am Produktionsstandort in der Schaffhausenstraße entsteht bei der energieaufwändigen Textilproduktion eine große Menge Abwärme. Seit 2017 betreibt die Gerhard Rösch Gruppe am Firmensitz im Unteren Wert eine Nachbehandlungsanlage für belastete Abluft, die beim Ausrüsten der Textilien in den Spannrahmen entsteht. Mit der Investition in den Bau der Anlage wurden neue Umweltauflagen erfüllt. Diese innovative Form der Abluftbehandlung ist dank der neuen RTO-Anlage auf dem neuesten Stand der Technik. Ein Absaugmechanismus führt die heiße Abluft zur Nachbehandlung einer Regenerativen Thermischen Oxidations-Anlage (RTO) zu. Für die Nachbehandlung muss Erdgas zugeführt werden. Bei der Auskühlung des heißen Abgasstroms in der RTO nimmt Heizwasser aus dem Rücklauf der Stadtwerke Wärme auf und wird erhitzt in das Wärmenetz rückgeführt. Damit wird es möglich, die im Energietausch gewonnene Wärme an einen anderen Wärmeverbraucher weiterzugeben. Der Betrieb der RTO-Anlage erhöht die Betriebskosten für die Gerhard Rösch Gruppe. Die swt vergüten die Abwärme, womit sich allerdings nur ein kleiner Teil der höheren Betriebskosten decken lässt.
„Wir freuen uns sehr, dass wir gemeinsam mit den swt dieses innovative Leuchtturmprojekt zur sinnvollen Nutzung der Abwärme ins Leben gerufen haben und freuen uns auch sehr über die Auszeichnung des Umweltministeriums“, so Arnd-Gerrit Rösch, geschäftsführender Gesellschafter der Gerhard Rösch Gruppe. „Was man aber nicht außer Acht lassen darf, ist, dass wir die RTO ausschließlich bauen mussten um die neuesten Umweltauflagen zu erfüllen. Nun müssen wir in unserem Prozess deutlich mehr Erdgas zuführen und wesentlich mehr CO2 ausstoßen, als wir es ursprünglich getan haben. Wenn nun noch die CO2-Steuer erhoben würde, ist die RTO zwar mit diesem Projekt eine bahnbrechende Innovation für das Wärmenetz, für uns als Familienbetrieb wäre die CO2-Steuer betriebswirtschaftlich allerdings noch schlechter zu tragen.“
Stärkung des Fernwärmenetzes
Auf Basis der langjährigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Firmen kam die Rösch Gruppe 2017 mit der Idee zur Nutzung der Abwärme auf die Stadtwerke Tübingen zu. In weiteren Gesprächen konkretisierte sich das Projekt bis zum erfolgreichen Vertragsabschluss. Die verfügbare überschüssige Warmluftmenge entspricht rund 20 Prozent des Jahreswärmeverbrauchs in den Fernwärmenetzen Südstadt und Uhlandschiene. Damit bauen die swt ihr Wärmeerzeugungsportfolio deutlich aus: bis zu 5.900 Megawattstunden können bei guter Produktionsauslastung pro Jahr im Fernwärmenetz genutzt werden. Um diese Wärmemenge in einer konventionellen Kesselanlage zu erzeugen müssten circa 700.000 Liter Heizöl verbrannt werden. Die swt haben für die Baumaßnahmen rund drei Millionen Euro investiert. Bei der Realisierung des Projekts helfen auch Fördermittel von über 700.000 Euro, welche die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bereitstellt.
„Die Stadtwerke Tübingen engagieren sich in vielerlei Hinsicht für die Energiewende und investieren dabei bevorzugt auch in Projekte, welche die Energiewende hier bei uns vor Ort voran bringen. Das Abwärmeprojekt mit unserem langjährigen Geschäftspartner Gerhard Rösch Gruppe ist dafür ein gutes Beispiel“, sagt Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen. „Mit innovativen Ansätzen wie diesem erreichen wir wichtige Effekte für den Umwelt- und Klimaschutz. Denn wenn Abwärme als Fernwärme in unserem Netz weiter genutzt wird, anstatt einfach durch den Schornstein zu entweichen, können klimaschädliche Emissionen vermieden werden, die sonst etwa durch den Einsatz fossiler Brennstoffe entstanden wären“.
Lange Partnerschaft Tübinger Unternehmen
Die beiden Tübinger Unternehmen haben eine lange partnerschaftliche Historie. Bereits seit Ende der 1980er-Jahre besteht diese Partnerschaft. Seit 1989 versorgen die Stadtwerke die Gerhard Rösch Gruppe mit Wärme – bereits damals am Produktionsstandort in der Schaffhausenstraße. Die swt übernehmen seither mittlerweile schon über ein Vierteljahrhundert lang die Betriebsführung der firmeneigenen Heizzentrale und der Wasseraufbereitungsanlage. Zudem versorgen sie die Gerhard Rösch Gruppe mit Strom und Erdgas. Beide Unternehmen realisieren gemeinsam und in ihren jeweiligen Branchen innovative und effiziente technische Lösungen, die helfen, die Umwelt zu entlasten.