Die technische Innovation voltap soll die noch nicht elektrifizierten Lücken im bundesweiten Schienennetz schließen und damit den Weg zum breiten Einsatz von Batteriezügen – kurz: BEMU (Battery Electric Multiple Unit) – ebnen. Die technische Eigenentwicklung bietet eine hohe Flexibilität bei vergleichsweise geringen Kosten. Die Schnellladestation kann überall dort aufgebaut werden, wo Zwischenladungen notwendig sind, um Einsatzmöglichkeiten und Reichweite von Batteriezügen entscheidend zu vergrößern. Auch abgelegene, nicht per Oberleitung elektrifizierte Abschnitte im Schienennetz (zum Beispiel in ländlicheren Regionen oder auf Stichstrecken), lassen sich dadurch mit elektrisch angetriebenen Zügen befahren. Auch das Abstellen in nicht elektrifizierten Abschnitten wird mit der Schnellladestation möglich. Die BEMUs nutzen dann die Standzeiten beispielsweise zum Aufladen für den nächsten Tag. Voltap ist ein neuer Baustein in der Schienennetz-Infrastruktur und vereinfacht die Einführung von BEMUs als CO2-neutrale Alternative für fossil betriebene Züge.
Kompatibilität mit allen Batteriezügen
Die Schnellladestation ist technisch mit Batteriezügen sämtlicher Hersteller kompatibel, wenn deren Bordelektronik dafür eingestellt wird. Als Partner für die Realtests hat Stadler Rail seinen Testträger eines FLIRT Akku zur Verfügung gestellt und damit die Testreihen in Ammerbuch-Pfäffingen erst möglich gemacht. Stadtwerke Tübingen, Furrer+Frey und Stadler Rail leisten Pionierarbeit.
„Auf diesen Moment haben wir gewartet: endlich hatte unsere Schnellladestation ihr erstes ‚Schienen-Rendezvous“ mit einem echten Batteriezug“, sagt Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen. „Voltap soll zur echten, umweltschonenden Alternative für Eisenbahnunternehmen und Bahn-Infrastrukturbetreiber werden, damit rein elektrische Antriebstechniken auch im Zugverkehr schnellstmöglich flächendeckend Realität werden. Dafür muss man nicht warten, bis die Oberleitungsinfrastruktur in Deutschland unter großem Kosten- und Zeitaufwand ausgebaut ist. Mit unserer Schnellladestation werden Batteriezüge schon früher flexibel und mit erheblich geringeren Kosten einsetzbar – weit über die elektrifizierten Streckenabschnitte hinaus.“
Rico Furrer, Geschäftsführer von Furrer+Frey sagt: „Ich bin stolz, wir werden zukünftig einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Bahn leisten können. Weiter bin ich persönlich beeindruckt, dass dieses innovative Entwicklungsprojekt in so kurzer Zeit realisiert werden konnte. Und dies während einer aktuell doch herausfordernden Zeit. Die länderübergreifende, sehr gute Zusammenarbeit der Projektpartner ist dynamisch und macht Freude. Nun schauen wir vorwärts und unser Ziel ist ganz klar: Wir möchten eine erste Anlage realisieren und BEMUs im Regelbetrieb laden und fahren sehen. Wir sind bereit!“
„Der Einsatz CO2-emissionsfreier Schienenfahrzeuge auf nicht elektrifizierten Strecken ist ein grundlegender Baustein zur Erreichung der EU-Klimaziele. Wir arbeiten bei Stadler kontinuierlich daran, den Schienenverkehr mit guten Ideen und ihrer schnellen und praktischen technologischen Umsetzung noch besser und frei von Treibhausgas-Emissionen zu gestalten. Stationäres Schnell-Laden erhöht die Flexibilität bei möglichen Einsatzszenarien von Batteriezügen“, erklärt Dr. Klaus Hempelmann, Geschäftsleiter von Stadler Deutschland.
Erkenntnisse sammeln im Realbetrieb
Alle für den Praxisbetrieb relevanten Varianten von Ladevorgänge haben die Entwickler inzwischen durchgeführt. Im Vorfeld waren entscheidende Parameter festgelegt und das Testdesign daran ausgerichtet worden. Wichtigste Erkenntnis: Das Zusammenspiel zwischen Batteriezug, Schnellladestation und Umgebungsstromnetz funktioniert.
Die Technik-Experten beobachteten dabei unter anderem die Vorgänge beim Einschalten des Hauptschalters am Zug. Ohne die Batterie zu laden, wurde zunächst ein Stromfluss zwischen Schnellladestation und Zug-Trafo hergestellt, um damit in einem ersten Schritt die Fahrzeugelektronik und die Klimatisierung zu versorgen. Dies sollte Aufschluss darüber geben, wie sich die Bordelektronik unter der Speisung mit einer Frequenz von 50 Hertz verhält. Denn üblicherweise kommt beim Bahnstrom in Deutschland bislang die Frequenz 16,7 Hertz zum Einsatz. Diese Frequenz steht abseits elektrifizierter Strecken aber nicht zur Verfügung. Die Leistungselektronik des Zuges übernimmt das Gleichrichten der Wechselspannung zur Aufladung der Batterien. Sie kann dies genauso gut unter 50 Hertz wie unter 16,7 Hertz. Der neue technische Ansatz von voltap ermöglicht die Speisung der Anlage mit 50 Hertz ab der örtlichen Stromversorgung – und damit direktes Laden ohne Leistungselektronik und den Einsatz teurer Umrichter bei der Einspeisung.
Auch die Auswirkungen auf das Stromnetz untersuchten die Techniker und gewannen Einsichten, inwieweit sogenannte ‚Störströme‘ entstehen, wie gut das Zug-interne Lademanagement harmoniert und bei welchen Ladeständen der Batterie sich die Ladeströme verändern. Damit hängt auch die Frage zusammen, wie eine möglichst schonende Ladung gewährleistet werden kann – ein wichtiger Parameter für die Hersteller von Batteriezügen. Auch mögliche Extremfälle beim Laden loteten die Techniker aus.
Schließlich brachten die Tests auch Erkenntnisse darüber, wie ein Batteriezug von der Schnellladestation zuverlässig und fehlerfrei identifiziert werden kann. Dieser automatisierte Anmeldevorgang des Zuges an der Ladestation ist wichtig, damit Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) eine präzise Abrechnung der geladenen Strommengen erhalten. Es ist gleichzeitig eine der Voraussetzungen, damit die voltap-Schnellladestation von Batteriezügen aller Hersteller und von unterschiedlichen EVU genutzt werden kann – und damit deutschlandweit einsetzbar ist.
Batteriezug von Stadler Rail ermöglicht Praxistests
Für eine ganze Woche stellte der Zughersteller Stadler Rail in Ammerbuch-Pfäffingen einen Batteriezug für die Tests bereit. Ein solcher Zug stellt aktuell noch eine Rarität dar. Der dreiteilige „FLIRT Akku“ wurde von Stadler im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Erprobung und Weiterentwicklung der Batterietechnologie im Schienenfahrzeugbereich entwickelt. Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und gemeinsam mit der TU Berlin und der EWE AG durchgeführt. Das Fahrzeug ist als EMU (Electric Multiple Unit) aufgebaut und zusätzlich mit Batterien ausgerüstet, so dass es sowohl als klassisch elektrisch angetriebener Zug unter einer Oberleitung fahren kann, als auch im reinen Batteriemodus dort, wo Strecken nicht elektrifiziert sind. Die Ladung der Batterien kann dabei sowohl unter dem Fahrdraht als auch durch stationäre Schnellladestationen erfolgen. Zusätzlich wird beim Bremsvorgang erzeugte Energie in die Batterien eingespeist.
Der Stadler „FLIRT Akku“ ist seit 2018 vollumfänglich für den Einsatz im Personenverkehr zugelassen. Seitdem hat der Batteriezug rund 25.000 Kilometer im reinen Batteriebetrieb zurückgelegt und eine maximale Reichweite von 185 Kilometern nachgewiesen. Dabei musste das Testfahrzeug auch verschiedene Szenarien wie das Aufholen ungeplanter Verspätungen auf der Strecke und den Einsatz unter extremen Witterungsbedingungen bestehen, um beispielsweise die Reaktion der Batterien prüfen und Rückschlüsse auf deren Lebensdauer ziehen zu können. Die Ladetests markieren einen wichtigen Schritt hin zu einer potenziellen größeren Flexibilität beim Einsatz von Batterie-Fahrzeugen.
Mehr Informationen auch auf www.voltap.de