Projektpartner sind die Arbeitsgruppe Stadt- und Regionalentwicklung des Fachbereichs Geowissenschaften/Forschungsbereichs Geografie der Universität Tübingen, die Stadtverwaltung und die Stadtwerke Tübingen als Auftraggeber. Eine wissenschaftliche Erhebung bildete den Schwerpunkt in der ersten Projektphase. Ihre Ergebnisse liegen nun vor. Befragt wurden 325 Personen im Februar und März 2020 per Online-Umfrage, 325 vollständige Fragebögen kamen in die Auswertung.
Die Ergebnisse stärken die Ausgangsthese, dass eine multimodale App Potentiale birgt, um Veränderungsprozesse im Mobilitätsverhalten anzustoßen. 84 Prozent der Befragten sehen die Vernetzung verschiedener Verkehrsmittel und Mobilitätsangebote als positiv. Gleichzeitig wünschen sie sich einen Ausbau der Infrastrukturen und der Mobilitätsangebote, insbesondere bei Bussen (75,5 Prozent) und bei Sharing-Angeboten (Car-Sharing (62,7 Prozent, E-Autos 57,3 Prozent, Leihräder 55,2 Prozent). Während mehr E-Roller von 47,1 Prozent gewünscht sind, besteht eher mäßiges Interesse an mehr E-Kick-Scootern (25,4 Prozent).
Gefragt ist eine einfache, nahtlose, flexible und zuverlässige Mobilität
Entscheidend ist in Zukunft nicht mehr – so eine häufig kolportierte These – mit welchem Verkehrsmittel man von A nach B kommt, sondern dass man pünktlich, zuverlässig, flexibel und komfortabel von A nach B kommt – unabhängig von den genutzten Fahrzeugarten. Um die für den Klimaschutz essenziellen Fortschritte im Mobilitäts- und Verkehrssektor zu erzielen und CO2-Emissionen zu senken, soll der Individualverkehr verringert werden. Weniger Individualverkehr in den Innenstädten bei uneingeschränkten und optimal austarierten Mobilitätsoptionen, das könnte zukünftig urbane Räume mit hoher Lebensqualität auszeichnen.
Eine weitere These formuliert Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen:
„Möglichst alle Hürden für eine uneingeschränkte, plattform- und angebotsübergreifende, flexible Mobilität müssen fallen. Die kombinierte Nutzung von Mobilitätsangeboten und ÖPNV muss vor allem in den Städten eindeutige Vorteile gegenüber dem Individualverkehr haben. Dann besteht eine größere Chance, dass die Menschen sich überzeugen lassen, anstatt auf das eigene Auto den multimodalen Mobilitätsangeboten zu vertrauen und sie dauerhaft zu nutzen.“
Dass für dieses Ziel noch viel Überzeugungsarbeit nötig ist, zeigt die Umfrage auch: aktuell wären nur 34 Prozent bereit, mit Hilfe einer gut funktionierenden multimodalen App auf den eigenen PKW zu verzichten. Auf 41 Prozent steigt dieser Zustimmungswert, wenn die App auch noch eine Möglichkeit zur Direktbuchung der Verkehrsmittel bzw. Mobilitätsangebote bieten würde. Für 39 Prozent kommt ein PKW-Verzicht derzeit nicht in Frage.
„Eine App muss einfach zu bedienen sein“, sagt Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne, Projektleiter der Arbeitsgruppe an der Universität Tübingen. „Um auf dem Markt konkurrenzfähig zu sein muss sie zudem in der Ermittlung von Echtzeit, Preisen und der genauen Zielangabe mindestens eine vergleichbare Leistung zu bereits vorhandenen Mobilitätsapps aufweisen.“
Digitale Vernetzung als Chance zukünftiger Mobilität
So gut wie alle Mobilitätsanbieter sind heute mindestens mit einer digitalen Plattform vertreten, viele von ihnen mit einer eigenen App. Kompliziert wird es, wenn Reisende mehrere verschiedene Verkehrsmittel und Angebote flexibel im Wechsel nutzen wollen. Die Aussicht, nicht mehr verschiedene Anbieter-Apps mit jeweils eigenen Logins, Bedienkonzepten und Zahlungssystemen verwenden zu müssen, verbessert die Bereitschaft für die kombinierte Nutzung verschiedener Mobilitätsangebote. Entsprechend fallen die Wünsche aus, die sich an eine multimodale App richten: eine genaue Navigation bis zum Ziel (93 Prozent), die (Gesamt-)Preisermittlung (93 Prozent), Auskünfte und Aktualisierungen in Echtzeit (92 Prozent) sowie die In-App-Bezahlung (81 Prozent) erzielen große Zustimmungswerte. 85 Prozent bewerten die Möglichkeit einer Kombi-Ticket-Buchung über die App als positiv, 72 Prozent bevorzugen die Bezahlung direkt über die App.
Eine multimodale App könnte also in mehrfacher Hinsicht den Weg für eine veränderte Mobilitätsnutzung ebnen. Wie ein Schweizer Taschenmesser soll sie idealerweise alle verfügbaren Mobilitätsangebote in Tübingen und der Region bündeln und mit nur einer App nahtlos zugänglich machen. Wie eine solche App aussehen könnte, was sie leisten muss, wo die Chancen und Grenzen liegen und welche Empfehlungen sich für eine App-Entwicklung ergeben, daran arbeiten die Projektpartner noch bis mindestens März 2021.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Richtlinie zur Förderung von Projekten zum Thema „MobilitätsWerkStadt 2025 zur Förderung systemischer, transdisziplinärer und umsetzungsorientierter Mobilitätsforschung“. Im Frühjahr 2021 entscheidet sich, ob das Projekt in einer nächsten Projektphase weitergeführt werden kann.
Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UV2027 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin/beim Autor.